Auftragsklärung
Nach meiner Erfahrung gibt eine gut durchgeführte Auftragsklärung (in meiner Rolle als externer Scrum Master), den Menschen mit denen ich arbeite, Klarheit und Sicherheit. Mir hilft sie genau die Themen zu bearbeiten, die meinem Team und ihrer Führungskraft wirklich wichtig sind. In diesem Artikel erfährst du, worauf ich bei einer Auftragsklärung achte und ich teile mit dir meinen Leitfaden, die du auch Schritt für Schritt durchführen kannst. Hier kannst auch Du eine gekürzte Visualisierung meiner Auftragsklärung herunterladen.
Hintergrund & Haltung:
Die Auftragsklärung ist ein wichtiger Bestandteil des systemischen Coachings und entscheidet maßgeblich über den Verlauf und den Erfolg eines Prozesses.
Sie beginnt bereits mit der wohlwollenden Haltung gegenüber dem Klienten:
Der Klient hat alle Ressourcen, um seine Probleme zu lösen
Der Klient ist Experte seines Systems
Der Klient handelt aus bestem Wissen und Gewissen
Folgende Ziele verfolge ich bei der Durchführung im Teamkontext:
Ich möchte meine Kollegen kennenlernen, sie verstehen und ihr Konstrukt auf die Organisation und das Team kennenlernen
Ich möchte eine Verbindung zu ihnen schaffen
Ich möchte verstehen, wo, aus ihrer Perspektive, die Probleme liegen
Ich möchte natürlich auch die Erlaubnis holen Dinge verändern zu dürfen und sie dazu einladen mitzugestalten
Gleichzeitig möchte ich sehen, wo ihre Grenzen sind und auch meine Grenzen abstecken, um die Zusammenarbeit optimal zu gestalten
Mein Ablauf für die Auftragsklärung:
Ich mache grundsätzlich Einzelgespräche, denn aus Erfahrung weiß ich, dass die Gruppendynamik dazu führen kann, dass in einem Gruppensetting einige Punkte nicht angesprochen werden (können). Am Anfang der Gespräche mache ich transparent, dass ich die Ergebnisse anonymisiert vorstellen werde und wir dann gemeinsam im Team an den Punkten arbeiten werden.
Dabei interviewe ich nicht nur die einzelnen Teammitglieder, sondern auch den Product Owner und den Teamleiter.
Nach den Einzelgesprächen fasse ich den Auftrag zusammen, priorisiere die genannten Probleme und Wünsche nach Häufigkeit der Aussage und anonymisiere die Auftragsbestandteile, so dass am Schluss nicht erkannt wird, von wem die Problembeschreibung oder der Wunsch stammt. Damit will ich sicherstellen, dass im persönlichen Gespräch genannte sensible Informationen nicht auf einen Einzelnen zurückgeführt werden können.
Das Ergebnis präsentiere allen Personen, die ich interviewt habe in einem gemeinsamen Termin. Wir priorisieren nochmal gemeinsam und ermitteln dann, welcher Wunsch oder welches Hindernis zuerst angegangen werden soll.
Iterativ, (häufig in Retrospektiven) bearbeite ich die Themen dann im Detail mit dem Team weiter. Wir sprechen über mögliche Lösungen oder auch Experimente, die uns zum gewünschten Ziel bringen. Dabei gibt es Themen, die ich als Scrum Master verfolgen kann. Ist dies nicht der Fall, klären wir, wer unterstützen kann oder welche andere Person die Aufgabe übernimmt. In regelmäßigen Abständen gehe ich den Auftrag auch mit dem Team durch, denn es kann sein dass sich Prioritäten ändern oder neue Themen aufkommen.
Es gibt aber auch Themen, die nicht in der Gruppe bearbeitet werden können. Das sind meist Konflikte oder persönliche Themen der Teammitglieder, die den Zusatz "bitte behalte es für dich" haben. Hier frage ich im Einzelgespräch, wie ich unterstützen kann. Falls dies nicht gewünscht ist, frage ich, wie er / sie das Problem angehen möchte. Aus meiner Perspektive steht es jedem frei, ob er / sie das Problem lösen möchte oder damit leben möchte, solange die Teamstimmung nicht darunter leidet. Ist dies der Fall, nutze ich weitere Einzelgespräche, um Feedback zu geben.
Alle 4-5 Monate hole ich mir von den Kollegen Feedback, ob meine Arbeitsweise für sie so passt, oder ob ich etwas verändern muss, um meine Richtung nochmal zu eichen. Natürlich dürfen in diesen Gesprächen die Erfolge und positive Veränderungen nicht fehlen.
So baue ich die ersten Einzelgespräche auf:
Bitte beachte, dass es sich hierbei um Beispielfragen handelt und du natürlich deine eigenen Fragen nutzen kannst. In Klammern findest du die Themen, die ich bei der Frage fokussiere.
Kennenlernen
Was ist dir (in der Arbeit) wichtig? (Frage nach den Werten)
Was macht dir Spaß an deiner Arbeit? (Frage nach den Motivatoren)
Was brauchst du, um gut arbeiten zu können? (Frage nach Bedürfnissen)
Erwartungsklärung
Was sind deine Erwartungen an mich? (daraus kann ich raushören, wie ich mich verhalten darf und welche Tätigkeitsschritte ich unbedingt sichtbar machen muss, so dass die Kollegen sehen, dass sich wirklich etwas bewegt)
Gibt es Dinge, die ich auf keinen Fall tun darf? (Hier erzähle ich auch ein bisschen über meine Rolle und meine Vorgehensweise. So schaffe ich schon zu Beginn Klarheit und gebe Sicherheit, dass ich verstanden habe, was sein darf und was nicht. Wenn notwendig kommuniziere ich meine Erwartungen und setze Grenzen - wenn jemand beispielsweise auf keinen Fall am Daily teilnehmen möchte, erkläre ich warum es aus meiner Perspektive wichtig ist und frage, was ich tun kann, damit er / sie doch am Daily teil nimmt. Oder, wenn jemand möchte, dass ich Tätigkeiten übernehme, die die Organisation nicht in der Rolle des Scrum Masters verortet, dann setze ich die Grenze, indem ich nochmal auf die Rolle des Scrum Masters aus der Organisationsperspektive eingehe.)
Was hat dir an der Arbeit des vorherigen Scrum Masters sehr gut gefallen? (Reduzierung von Annahmen meinerseits und Erkennen von Themen, die mein Team voraussetzt)
Hindernisse & Wünsche
Was sind aus deiner Perspektive die größten Hindernisse / Probleme innerhalb des Teams? (Die Impediments, die ich angehen sollte)
Was sind aus deiner Perspektive die größten Hindernisse / Probleme innerhalb der Organisation? (Hindernisse, die im Außen liegen, aber beachtet werden müssen)
Wie würde es sein, wenn wir 6 Monate zusammen gearbeitet haben und alles lief gut? (Zum Schluss kann man noch ein positives Bild zusammen kreieren. Zum einen ist das für beide Gesprächspartner motivierend, zum anderen lassen sich daraus weitere Wünsche heraushören.)
Das ist mein Leitfaden und ich hoffe, dass er nützlich für dich ist. Die Fragen sind allerdings nur die "Oberfläche". Am wichtigsten ist eine Haltung der Wertschätzung und der Gedanke "Jeder hat aus seiner Perspektive gesehen recht".